Anerkennungskultur revisited

Vortrag auf der Fachtagung „Anerkennungskulturen heute – Vielfalt in der engagierten Stadtgesellschaft“, Berlin, 10.06.2015

Von Dr. Thomas Röbke


Menschen erwarten die Anerkennung ihres besonderen Beitrags, den sie durch ihr freiwilliges Engagement leisten. Authentizität ist ein Schlüsselwert der Moderne. Sie prägt die Medien, durchzieht die Arbeitswelt. Erregt jemand durch Typhaftigkeit oder besondere Leistungen Aufmerksamkeit, so kann er zum Star werden.

Den meisten Menschen ist dieser Weg nicht vergönnt. Das Bürgerschaftliche Engagement aber schafft in unserer Gesellschaft eine hervorragende Plattform, dass Menschen ihre guten Absichten in die Tat umsetzen und dafür öffentlich Anerkennung finden können. Sie tun dies in hohem Maße: Zehntausende von Vereinen und Initiativen werden jedes Jahr gegründet, die die authentischen Motive oft weniger Mitglieder in einem öffentlichen Raum sichtbar machen. Es mag manchem Beobachter der Zivilgesellschaft schon zu viel an Individualismus sein, der sich in dieser Konjunktur an Kleinstorganisationen Bahn bricht. Aber eine ihrer Haupttriebfedern ist sicher der Wunsch nach Anerkennung.

Bürgerschaftliches Engagement ist der gesellschaftliche Bereich, in dem jemand aus freiem Willen zeigen kann, was in ihr oder ihm steckt und man für wichtig hält. Werte wie Barmherzigkeit, Solidarität, etwas Gutes tun, etwas zurückgeben, Solidarität … etc. haben in ihm ihren genuinen gesellschaftlichen Ort. In der öffentlichen Sphäre der Zivilgesellschaft können sie sich beweisen und auf Anerkennung hoffen.

Die Anerkennung des Authentischen muss passgenau sein. Sie beginnt da, wo man reflexiv seiner Selbstwirksamkeit gewahr wird, wo andere Menschen Motive und Handlungen als authentischen Ausdruck der Person wahrnehmen. Kritisch kann man dahinter ein problematisches Freiheitsverständnis vermuten: Jeder macht sein Ding. Aber das Bürgerschaftliche Engagement hat eben auch die Zielsetzung, dieses „Ding“ für andere zu machen, es im Sinne des Gemeinwohles zu verwirklichen. Die Mittel und Ressourcen, die man dazu braucht, sind oft nicht besonders groß. Insofern ist das zivilgesellschaftliche Engagement eine der wichtigsten, demokratisch offen zugänglichen und gemeinwohlorientierten Möglichkeitsräume, in denen Menschen gesellschaftliche Anerkennung erwarten können.

Wollte man in Bezug auf den Wunsch nach Authentizität von Defiziten der Anerkennungskultur sprechen, so könnten sie darin bestehen, dass diese freien Räume der Entfaltung etwa durch bürokratische Vorschriften und andere Hürden verkleinert werden. Engagement, das den eigenen Vorstellungen entspricht, wird dann schwieriger. Es kann sich nicht im öffentlichen Raum entwickeln, auf den es zu seiner Anerkennung angewiesen ist. Politik, die Anerkennungskultur verbessern möchte, muss hier also eher weniger als mehr tun.

➟ weiter lesen

... in Arbeit ...

ICH BIN IN ARBEIT – wie auch
manches andernorts in diesen Tagen


Instrumente der Anerkennung | Anerkennungskultur revisited – Authentizität | Aktualisiert: 21.06.2015