Anerkennungskultur revisited

Vortrag auf der Fachtagung „Anerkennungskulturen heute – Vielfalt in der engagierten Stadtgesellschaft“, Berlin, 10.06.2015

Von Dr. Thomas Röbke


Meine These ist: Es wurde tatsächlich viel erreicht. Um aber den Anspruch einer An­er­ken­nungs­kul­tur als ein kohärentes Gefüge von Werten und Praktiken nach den noch be­ste­hen­den blinden Flecken abzusuchen, benötigen wir einen genaueren und sys­te­ma­ti­schen Blick. Den eröffnet die philosophische Diskussion des Anerkennungsbegriffs der letzten zwanzig Jahre, die vor allem mit den Namen Axel Honneth und Charles Taylor verbunden ist.

Um in ihre Fragenstellungen einzuführen und zu demonstrieren, dass sie beileibe keine scholastische Lektion ist, sondern tief in unseren Alltag hineinreicht, zunächst einige Eindrücke:

  • Seit über zehn Jahren veranstalten wir Seminare zum Freiwilligenmanagement. In einer Übung sollen die Teilnehmenden die Frage beantworten, welche Form der An­er­ken­nung sie als Ehrenamtliche am meisten schätzen würden. Die weit über­wie­gen­de Mehrheit freut sich über einen spontanen Dank, der sich direkt auf das Ge­ta­ne bezieht; „Das hast du toll gemacht“, „das hat super geklappt“ usw. For­mel­le­re Formen wie Ehrenamtsempfänge durch die Träger oder die Kommune werden deutlich seltener gewünscht, eher noch kleine Geschenke wie ein Buch oder eine Schachtel Pralinen. Diese Gaben sollten aber auf die konkrete Person und ihre Vor­lie­ben abgestimmt sein.
  • Einer Runde bayerischer Bürgermeister stellten wir die Frage, welche An­er­ken­nungs­form in ihrer Gemeinde am besten aufgenommen wurde. Für „das Beste, was ich je gemacht habe“ hält ein Teilnehmer den Einfall, bei einem Dankeschönfest auf dem Marktplatz an den Tischen zu bedienen. Er verzichtete auf die übliche Rede als Stadt­ober­haupt und kam beim Austragen der Speisen mit vielen Ehrenamtlichen in ein persönliches Gespräch, die sich gewürdigt fühlten, weil er sie so tatkräftig um­sor­gte.
  • In einem Workshop zur Anerkennungskultur berichtete ein in der Integrationspolitik Engagierter, dass er für seinen Einsatz für das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer geehrt werden sollte. Er wies dies zurück: Wenn man seine Tätigkeit vorbildlich finde, solle man ihn mit der Einführung des Wahlrechts ehren, aber nicht mit einer Urkunde abspeisen.
  • Eine aktuelle Studie zu Motiven des bürgerschaftlichen Engagements zeigt klar auf: Obwohl viel diskutiert, spielt monetäre Anerkennung kaum eine Rolle. 86% der En­ga­gier­ten halten sie für irrelevant. Bei nur bei 3% steht sie im Vordergrund.|3|
  • Diese vier Eindrücke geben erste Antworten auf die fundamentalen W-Fragen der An­er­ken­nung:

    Honneth, Kampf

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    Honneth/Fraser, Umverteilung

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    Taylor, Anerkennung

    ➟ Mehr Informationen

    |3| Bundesministerium für Familie, Se­ni­o­ren, Frauen und Jugend, 2014 Motive des bürgerschaftlichen Engagements. 15f.

  • Wie wird anerkannt? Dem direkten Dank, der authentischen und spontanen Geste wird vor einer stärker ritualisierten Ehrung der Vorzug gegeben.
  • Wer spricht die Anerkennung aus? Jemand, der aufgrund der eingenommenen Rolle für das Gemeinwesen spricht, aber hier die Augenhöhe sucht wie besagter Bür­ger­meis­ter. Das zeigt, dass ihm das Engagement persönlich und nicht nur von Amts we­gen wichtig ist.
  • Was wird anerkannt? Offensichtlich gibt es unterschiedliche Ordnungen der An­er­ken­nung: Jemand, der rechtliche Gleichstellung verlangt, ist nicht mit einem net­ten Dankeschön zufrieden zu stellen, auch wenn es von Herzen kommt.
  • Mit welchen Mitteln: Geld spielt kaum eine Rolle, obwohl der Staat, z.B. durch hö­he­re Steuerfreibeträge, oft an dieser Schraube der Anerkennung dreht.
     
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    Instrumente der Anerkennung | Anerkennungskultur revisited – Beobachtungen | Aktualisiert: 20.06.2015