Vortrag auf der Fachtagung „Anerkennungskulturen heute – Vielfalt in der engagierten Stadtgesellschaft“, Berlin, 10.06.2015
Von Dr. Thomas Röbke
Nach dem von der UNO ausgerufenen Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 war Anerkennung für geleistete freiwillige Tätigkeiten landauf landab das Megathema in der damals noch recht überschaubaren Engagementszene. Die ersten Bundesländer kreierten Ehrenamtsnachweise und Urkunden, Städte begingen erstmals Ehrenamtsempfänge, soziale Träger Dankeschönfeste. Im Rückblick lässt sich nur darüber spekulieren, warum das so war.
Zweifellos wollten politische Gremien, Wohlfahrtsverbände und andere zivilgesellschaftliche Akteure dazu beitragen, das Bürgerschaftliche Engagement in einem vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen. Es ging ja nicht nur um ausgezeichnete Personen und Projekte, sondern auch um die Verbesserung der allgemeinen Wertschätzung des Bürgerschaftlichen Engagements in der Gesellschaft, die durch öffentlichkeitswirksame Preise sichtbar gemacht werden sollte. Eine plausible Vermutung ist freilich auch, dass Anerkennung durch Auszeichnungen und Orden ein schnell wirksames Mittel ist, denn jemanden auszuzeichnen und darüber einen Artikel in der Zeitung zu lancieren, kann die strukturellen Voraussetzungen des bürgerschaftlichen Engagements erst mal so belassen, wie sie sind. Es steckt ein Licht auf, der Kuchen bleibt derselbe.
Grundlage des Vortrags war ein im September 2014 in Hannover vor zuständigen VertreterInnen von Bundes- und Länderministerien gehaltenes Referat, das im Dezember im BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland erschienen ist: Anerkennungskultur – Ein Blick zurück nach vorn, und dessen Textfassung hier gefolgt wird.
Nach einiger Zeit wurde freilich klar, dass Anerkennung mehr umfasste und tiefer reichte: Mit dem sich ausbreitenden Freiwilligenmanagement und einer zunehmend differenzierten Sicht auf das Verhältnis von Bürgerschaftlichem Engagement und Zivilgesellschaft gehörten nun plötzlich viele Dinge zu einer angemessenen Anerkennungskultur. Vor allem der Begriffszusatz „-kultur“ signalisierte, dass es nicht um einzelne Würdigungen, sondern ein aufeinander bezogenes System von Werten und Praktiken gehen muss, zu dem Beteiligung und Mitsprache der Ehrenamtlichen, Fortbildung, eine gute Alltagsbegleitung und stetes Feedback|1| gehören. Nun schien alles – das Umfeld, die Organisation, die Aufgabe etc. – Teil der Anerkennungskultur zu sein.
|1| Hierzu Thomas Röbke, 2005 ➟ Anerkennungskultur – ein neues Ehrenamt braucht gute Rahmenbedingungen.
Wo stehen wir heute? Es herrscht mittlerweile eine erstaunliche Vielfalt, ja fast schon Unübersichtlichkeit von öffentlichen Anerkennungsformen Die vom BBE verantwortete Woche des Bürgerschaftlichen Engagements, die mittlerweile ihr zehnjähriges Jubiläum feiern konnte, ist mit ihrer Kombination aus medienwirksamen zentralen Veranstaltungen und vielen tausenden lokalen Events nicht mehr wegzudenken. Die Datenbank der Stiftung Mitarbeit|2| listet über dreihundert bundesweite Wettbewerbe und Förderpreise auf, mit denen Bürgerschaftliches Engagement geehrt wird. Fast wöchentlich kommen neue hinzu. Der vom Bündnis für Gemeinnützigkeit und dem Bundesfamilienministerium ausgelobte Deutsche Engagementpreis soll zum Flaggschiff aller Preise ausgebaut werden, indem automatisch die Gewinner aller übrigen Wettbewerbe kandidieren.
|2| Zur Übersicht von Preisen und Wettbewerben ➟ www.buergergesellschaft.de
Der Deutsche Bürgerpreis, von den kommunalen Spitzenverbänden und den Sparkassen verliehen, würde diese herausragende Stellung freilich auch für sich reklamieren. Selbstbewusst nennt er sich daher „bundesweit größter Ehrenamtspreis“. Zweifellos haben wir große Fortschritte gemacht: Die gesellschaftliche Wertschätzung des Bürgerschaftlichen Engagements hat sich enorm verbessert. Keine Weihnachts- und Neujahrsansprache politischer Persönlichkeiten lässt es unerwähnt. Menschen, die ein Ehrenamt aufnehmen, genießen heute offenbar die Anerkennung, die sie verdienen. Ist also alles erreicht? Was könnte noch getan werden? Oder ist vielleicht an manchen Stellen schon zu viel des Guten getan?
Einige Beobachtungen zur Anerkennungskultur
Ein Blick auf die Grundlagen der modernen Gesellschaft
Ebenen der Anerkennungskultur: Würde
Instrumente der Anerkennung | Anerkennungskultur revisited – Wellen | Aktualisiert: 19.06.2015