Anerkennung aus diversen Perspektiven

Zusammenfassung des Vortrags auf der Fachtagung „Anerkennungskulturen heute – Vielfalt in der engagierten Stadtgesellschaft“ | Berlin, Rotes Rathaus, 10.06.2015

Von Dr. Azra Dzajic-Weber



Anerkennung.Entdecken #723_2x3

1. Zum Begriff der Anerkennung

2. Diversity

3. Anerkennung aus diverser/n Perspektive/n

Unsere Gesellschaft ist in den Jahrzehnten erheblich vielfältiger geworden. Mit der ge­wach­se­nen Vielfalt sind auch die Bedeutung von und die Herausforderungen für An­er­ken­nungs­kul­tur gewachsen. Einerseits hat es bemerkenswerte Fortschritte gegeben, et­wa bei der Durchsetzung von Geschlechterdemokratie, bei der Anerkennung viel­fäl­ti­ger sexueller Identitäten oder auch im Bereich Inklusion von Menschen mit Be­hin­de­rung. Zugleich stehen wir vor großen Herausforderungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Anerkennung anderer Diversity-Dimensionen. Das gilt insbesondere für die Dimension ethnische Zugehörigkeit & Hautfarbe. Nach der lange verzögerten, politisch-rechtlichen Anerkennung der Realität, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, befinden wir uns nun auf dem Weg der nachholenden gesellschaftlichen Integration.

Mit den internationalen politischen Verwerfungen im Zusammenhang mit dem is­la­mis­ti­schen Terrorismus rückt die Dimension Religion/Weltanschauung zusätzlich in den Vor­der­grund der gesellschaftlichen Debatte und schafft eine neue Gemengelage und Her­aus­for­de­rung für Anerkennungskultur. Auf der anderen Seite bringt die de­mo­gra­phi­sche Alterung der Gesellschaft Veränderungen im Wertesystem hinsichtlich Jugend und Alter mit sich, und schafft so eine weitere Herausforderung für Anerkennung und Wert­schät­zung.

Die Anerkennung dieser sich wandelnden, vielfältigen gesellschaftlichen Realität bedarf, wie bereits erwähnt, der Wahrnehmung und Bewusstwerdung. Dies verlangt Offenheit und Sensibilität gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld, den „Anderen“, aber auch ge­gen­über mir selber. Diese Sensibilität steht im Widerstreit mit Vorurteilen und Ste­reo­ty­pen. Denn Vorurteile sind genau dieses – Vor-Urteile, vorgefertigte Meinungen, die den Einzelnen abschirmen gegen Offenheit, Wahrnehmung und neue Erfahrungen. Dennoch gehören sie zu unseren Alltagsinstrumenten, die zunächst weder negativ noch positiv sind. Sie dienen dazu, die gesellschaftliche Komplexität zu vereinfachen. Im Zu­sam­men­hang gesellschaftlicher Teilhabe ist es besonders wichtig, auf sie (Vorurteile) kri­tisch zu reflektieren.

Um den Weg hin zu einer Anerkennungskultur von Diversität zu beschreiten, ist es zu­nächst einmal entscheidend, dass die/der Einzelne zu einer positiven Bewertung der Eigenschaften und Merkmale von Menschen gelangt, die sie von der „Mehr­heits­ge­sell­schaft“ unterscheiden. Dazu muss er/sie sich der Ressourcen, Potentiale, Zu­satz­qua­li­fi­ka­ti­o­nen bewusst werden, über die etwa Migrant_innen, ältere Menschen etc. ver­fü­gen. Zugleich führt dieser Weg über die positive Bewertung der Leistungen von Men­schen mit anderen Eigenschaften als denen der Mehrheitsgesellschaft. Das setzt na­tür­lich zunächst voraus, dass die Leistung etwa von Migrant_innen bei der Integration in eine Gesellschaft mit fremder Sprache und Kultur überhaupt erst wahrgenommen wird.

Erst wenn dieser Weg der offenen Wahrnehmung und positiven Bewertung beschritten worden ist, sind die Voraussetzungen für die Akzeptanz gleichberechtigter Teilhabe von Menschen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören, geschaffen. Denn mit die­sem offenen Blick auf Diversität öffnet sich zugleich der Blick auf die Machtfrage, auf die hin­ter bestehender Ignoranz von Vielfalt sich verbergenden Machtverhältnisse. Mit dem neuen Blick beginnen diese sich zu verschieben.

Dieser Weg hin zu einer Anerkennungskultur von Diversität stellt eine Herausforderung und eine besondere Leistung für beide Seiten in der vielfältigen Gesellschaft dar – für die Mehrheit und die Minderheit: Für die Mehrheit ist es die Herausforderung, sich zu öffnen für die gesellschaftliche Veränderung und die Menschen mit ihren anderen Merk­ma­len und Eigenschaften, die die Träger dieses gesellschaftlichen Ver­än­de­rungs­pro­zes­ses hin zu mehr Vielfalt sind. Auf Seiten der Minderheit(en) bedarf es der An­er­ken­nung der Her­aus­for­de­rung und Leistung der Mehrheit, die mit dieser (teil­wei­sen) Aufgabe ihrer Mehr­heits­po­si­ti­o­nen und damit verknüpften Vorstellungen verbunden ist.

➟ weiter lesen

4. Anerkennung von Diversität „lernen“ – Diversity-Sensibilisierungstrainings

5. Ehrenamt und Diversity

Dimensionen

Fachtagung 2015 | Diversity. Einblicke Sensibilisierungsarbeit | aktualisiert: 23.07.2015